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Die Hilfsschule im Nationalsozialismus - Einleitung
Das Ziel dieser Arbeit soll sein, in einem breiten theoretischen Rahmen die Alltagsgeschichte an einer Hamburger Hilfsschule während der NS- Zeit darzustellen. Aufgrund des vollständigen Erhalts der Schülerakten bot sich die Hilfsschule Bergedorf für die Bearbeitung dieser Problematik an.
Dabei soll schwerpunktmäßig erforscht werden, inwieweit die Beurteilungen der SchülerInnen durch die LehrerInnen durch die Einbettung der Institution Hilfsschule in den nationalsozialistischen Erziehungs- und Rassegedanken beeinflusst wurden. Ferner soll ermittelt werden, ob HilfsschülerInnen bzw. ehemalige HilfsschülerInnen der Bergedorfer Schule im Rahmen des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ sterilisiert wurden und welche Rolle die Schülerakten bei diesem Verfahren spielten. Ferner wird untersucht werden, welche Sozialstruktur die SchülerInnenschaft besaß, auch in Bezug auf die soziale Schichtung Bergedorfs und Lohbrügges.
Eingebettet wird dies in eine theoretische Umrahmung, die die Ursprünge der sozialdarwinistischen/ rassenhygienischen Bewegung beleuchten wird, da die dieser Bewegung zugehörigen Personen/ Organisationen maßgeblich den ideologischen und theoretischen Hintergrund für die erbbiologischen Gesetze der NSDAP- hierzu gehört auch das GzVeN- lieferten. Ein Vergleich mit zwei direkt nationalsozialistischen Positionen- Adolf Hitler und Walter Groß- soll die biologistisch- rassistische[1] Kontinuität von Rassenhygiene und deutschem Faschismus beweisen.
Zur Vertiefung der Entstehung und der Definition des Nationalsozialismus als deutsche Spielart des Faschismus wird die Faschismustheorie des Politikwissenschaftlers Reinhard Kühnl kurz beschrieben werden.
Darauf wird die politische Entwicklung in der Weimarer Republik, die schließlich zur Herrschaft der NSDAP von 1933-1945 führte, folgen; regionalgeschichtlich betrachtet aus Hamburger, Bergedorfer sowie Lohbrügger Sicht.
Die Kapitel 4 und 5 stellen zwei Stränge dar, die maßgeblich für die Analyse der Hilfsschule Bergedorf in Kapitel 6 sind: Die Entwicklung der Hilfsschule von ihrer Entstehung bis 1945 sowie die Entwicklung des GzVeN.
Das Kapitel der Hilfsschulentwicklung wird nicht nur die zahlenmäßige Genese dieser Schulart im Deutschen Reich beinhalten, sondern ebenfalls die (politische) Einstellung der SonderpädagogInnen zu den ihnen anvertrauten SchülerInnen vor 1933 sowie organisatorische Änderungen im Hilfsschulbetrieb ab 1933. Zur Komplettierung des Kapitels wird, stark verkürzt, in zwei Exkursen über die Gleichschaltung im schulischen Bereich in Hamburg ab 1933 sowie über die Integration bzw. Segregation von HilfsschülerInnen in nationalsozialistischen Organisationen wie z.B. HJ, KLV oder Wehrmacht referiert.
Der zweite Strang wird die Entwicklung zum Erlass des GzVeN behandeln sowie über die Durchführung dieses Gesetzes, das nicht als NS- Unrechtsgesetz anerkannt ist, berichten (vgl. dazu Kapitel 7 dieser Arbeit). In diesem Zusammenhang wird die ‚Euthanasie‘- Thematik angeschnitten, da offensichtlich Zusammenhänge zwischen Vermeidung ‚lebensunwerten Lebens‘ und Vernichtung ‚lebensunwerten Lebens‘ bestehen.
Den Hauptteil nimmt die alltagsgeschichtliche Analyse der Hilfsschule Bergedorf ein (s.o.).
Im 7. Kapitel wird der Frage nachgegangen werden, inwieweit in Hamburg eine Entnazifizierung tatsächlich stattfand, wobei der thematische Schwerpunkt hier der Werdegang Prof. Dr. Albert Bohnes sein wird, da meine Recherchen ergaben, dass jener Amtsarzt maßgeblich an den Sterilisationsverfahren im Raum Bergedorf mitarbeitete.
Ein Bezug auf die eugenische Bewegung der Neuen Rechten innerhalb der BRD soll am Ende dieser Arbeit darzustellen versuchen, dass die biologistisch- rassistische Kontinuität keineswegs 1945 aufhörte, sondern bis in die heutige Zeit besteht. Da die Zeitschrift „Neue Anthropologie“ einem breiten Ausschnitt von Autoren der Neuen Rechten ein Publikationsorgan für ihre rassenhygienischen Ausführungen gab und der Herausgeber der Zeitschrift, Jürgen Rieger, eine bedeutende Rolle innerhalb der Neonaziszene der BRD spielt, wurde sie exemplarisch herangezogen.
Wie vielleicht aus diesen einleitenden Worten bereits klargeworden ist, geht es mir nicht nur um die Darstellung eines Stücks Alltagsgeschichte einer Hilfsschule in der NS- Zeit, sondern auch um das Aufzeigen einer biologistisch- rassistischen Kontinuität von dem Beginn des Sozialdarwinismus bis heute. Die diesbezüglichen Gesetze der deutschen Faschisten zwischen 1933 und 1945 stellen hierbei zwar den vorläufigen ‚Höhepunkt‘ der Genese dar, jedoch besteht nach wie vor die Gefahr eines faschistischen Wiederauflebens (vgl. Kapitel 2 dieser Arbeit).
Abschließend sei in dieser Einleitung Frau Groschek, Frau Wunderlich und Herrn Dr. Hering aus dem Hamburger Staatsarchiv für ihre Hilfe und Geduld gedankt.
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